31.05.2023 23:45
Zum zweiten Mal restauriert
In diesen Tagen werden die letzten Pinselstriche aufgetragen: Die Restauration am Bürgerasyl ist bald fertig
Rolf Zurfluh ist einer der bekanntesten Restauratoren in der Ostschweiz. Seit über 30 Jahren führt er sein Atelier. In der historischen Altstadt von Stein am Rhein hat man ihm und seinem Team schon öfter bei der Arbeit zusehen dürfen. Dass die Spezialisten wie beim Bürgerasyl zum zweiten Mal die Pinsel ansetzen, kam indes noch nicht oft vor.
Stein am Rhein Vier Stockwerke hoch ist das Gerüst am Bürgerasyl. Die Planken sind schmal. Ganz oben unter dem Dach ist die Arbeit nichts für Menschen mit Höhenangst. Man sieht Michela Mastroianni hin und her schreiten, Pinsel und Farbpalette in der Hand. Sie retuschiert den ockerfarbenen Hintergrund der bekannten Wandmalerei des mittelalterlichen Spitals mit kritischem Blick. Hört sich einfach an, ist aber eine heikle Arbeit, die grosses Farbgefühl erfordert. Schliesslich werden die mineralischen Farbpigmente mit Fixativ selbst gemischt und jede noch so kleine Änderung muss sie beachten. Wie bei allen Restaurationsarbeiten gilt: Die Malerei darf aufgefrischt werden, das Original muss jedoch erhalten bleiben.
Der grosse Moment naht
«Die Retusche ist unser letzter Arbeitsschritt», sagt Rolf Zurfluh, der Chef des mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe betrauten Ateliers. Zu dritt, durch einen Krankheitsfall kurze Zeit zu zweit, sind die Spezialisten seit Ende April bei der Arbeit. In diesen Tagen naht der grosse Moment: Das Gerüst wird abgebaut. Nur noch der Sockel muss gestrichen werden. Grundierte Stellen weisen drauf hin, dass alles bereit dafür ist. «Es ist immer wieder ein schöner Moment, wenn eine Fassadenrestauration fertig ist», gesteht der Fachmann, der in seiner langen Laufbahn schon etliche Projekte dieser Art realisiert hat. Auch in Stein an Rhein. «Es macht mir einfach Freude, diese grossartigen Werke und Kulturgüter vor dem Zerfall zu retten.» Kaum eine europäische Stadt ist so reich an historischen Wandmalereien wie Stein am Rhein. Sie stellen einen bedeutenden Teil der touristischen Attraktivität des «Städtlis» dar. Dessen ist sich Rolf Zurfluh bewusst.
Malerei aus dem 19. Jahrhundert
Das Besondere am aktuellen Auftrag ist: Rolf Zurfluh restauriert die Fassade bereits zum zweiten Mal. 2001 hat er die damals seit 100 Jahren unangetastete Arbeit des Kunstmalers Christian Schmid zum ersten Mal von Schmutz befreit. Von Schmid gibt es zahlreiche Werke in Stein am Rhein. Zur Debatte stand damals, die Wandmalerei zuzudecken oder mit moderner Kunst zu ersetzen. Damals entschied man sich nicht nur wegen der Subventionen des Bundes für den Erhalt. Sondern auch, weil sonst das Schmidsche Ensemble in der Stadt zerstört wäre. «Lange Jahre fuhren hier noch Autos vorbei. Einige Ornamente konnten nur noch verschleiert wahrgenommen werden», erinnert sich der Restaurator.
18 Kilogramm Mörtel
Dieses Mal besteht die Hauptarbeit darin, Mörtelablösungen zu sichern, grössere statische Risse auszubessern und Hohlstellen zu hintergiessen. Der erste Arbeitsschritt war natürlich Reinigung und Bestandsaufnahme. Ungefähr 18 Kilogramm Mörtel haben er und sein Team verarbeitet. Warum nicht einfach den bröckligen Putz abschlagen, dann neu verputzen und neu malen? «Würde ich das tun, wäre das mein letzter Auftrag hier», ist sich Zurfluh sicher. Kunstmaler Christian Schmid verwendetete um die Jahrhundertwende Mineralfarben der Firma Keim. Es sind dieselben Farben, die heute zum Einsatz kommen. Sie besitzen eine besonders lange Haltbarkeit. Dennoch: «Alle 15 bis 20 Jahre sollte man eine solche Fassade restaurieren», rät der Fachmann.
Hettler-Häuschen als nächstes
Nach dem Bürgerasyl ist die Arbeit von Rolf Zurfluh und seinem Team in Stein an Rhein nicht beendet. Die Hettler-Häuschen Ost und West bekommen ebenfalls eine Fassadenauffrischung. Zudem werden die Ölfarben der Fensterläden zu neuem Glanz gebracht. «Sie sind bereits abgehängt und bei uns im Atelier», verrät der Restaurator.
Von Stefan Böker