31.05.2023 23:45
Mit Brotbacken verzaubert
Am Freitag hat eine ganz besondere Bäckerei Eröffnung gefeiert – die «Brotvernissage» an der Zürcherstrasse 199
Alfred Bau ist der erste Brotsommelier der Ostschweiz. Wer mit ihm über das Handwerk, die Kunst, ja die Magie des Brotbackens spricht, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. In seiner Ein-Mann-Bäckerei zieht er jeden Freitag und Samstag live Laibe aus dem Ofen.
Frauenfeld «Ich backe urtümliches Brot», sagt Alfred Bau. Brot so wie früher, das eine Woche lang frisch bleibt. Brot, dessen Kruste so richtig knackt, wenn man mit dem Messer Scheiben abschneidet (in wunderbares Geräusch!). Mit einer Konsistenz, die einem ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Und reichem Geschmack. «Sauerteig enthält über 300 Aromastoffe», weiss der Fachmann mit dem Solothurner Akzent. «Daraus hergestelltes Brot ist zudem sehr verträglich. Da kann man auch am Abend einen ganzen Laib verdrücken.»
Er sammelt Sauerteigsansatz
Im kleinen, charmant renovierten Laden nimmt der Backofen einen grossen Teil des Raumes vor der Ladentheke ein. Modernste Technik trifft auf Stadtgeschichte: Die Natursteinmauer zur Rechten ist aus dem 15. Jahrhundert. Ofen, Teigknetmaschine und Sauerteigfermenter – mit diesen Maschinen «baut» Alfred Bau sein Brot. Im Kühlraum im Keller warten Kübel mit Sauerteigansatz aus verschiedenen Mehlsorten auf ihren Einsatz. «Sie sind die Grundbausteine für jeden Teig», verrät der Bäcker. Leer werden dürfen die Behälter aus Plastik nicht. Wenn Alfred Bau eine gewisse Menge entnimmt, füllt er danach wieder Mehl und Wasser auf. Über Nacht vermehrt sich der Ansatz, die «Lievito Madre», und plötzlich tönt magisch, was ein bewusst gesteuerter, natürlicher Prozess ist. Der älteste Sauerteigansatz in seiner Sammlung beinhaltet Roggenmehl und ist bereits zwei Jahre alt, so der Profi. «Im Grunde ist Brotbacken ganz einfach. Ich benötige ja nur wenige Zutaten. Aber ich muss die Lebewesen, die Bakterien, im Griff haben. Wie ein Zirkusdirektor», bemüht er eine weitere Analogie, um die Backkunst zu beschreiben. Der 61-Jährige ist Bäcker-Konditormeister. Als Patissier führten ihn die Wanderjahre bis in die USA. Doch sei er immer der bessere Bäcker gewesen. In Frauenfeld hat er später die Produktion der «sonne-beck AG» geleitet. Heute ist er als Verkäufer, Produktentwickler und Berater beim zweitgrössten Mehlhersteller der Schweiz, der Groupe Minoterie SA, angestellt. Mittlerweile in Teilzeit. Seit mehreren Wochen startet Mittwoch die Teigherstellung. Donnerstags befüllt er Gärkörbe für bis zu 250 Brote pro Tag mit der Bläschen werfenden Masse. Und ab Freitag um 7 Uhr kann man ihm live beim Backen zuschauen, die Produkte frisch aus dem Ofen kaufen. Seine Tochter steht dann hinter der Theke, am Samstagmorgen unterstützt ihn seine Partnerin Lisa Schempp. Die Mikrobäckerei ist auch ein Familienbetrieb.
Einjährige Weiterbildung
Die Bezeichnung «Brotsommelier» ist indes nicht ausgedacht. «Ich habe eine einjährige Ausbildung in an der Akademie für Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim absolviert», verrät er. Im Mutterland des Brotes. Dann fing er an, zuhause zu experimentieren. Lisa war sofort begeistert und ist es bis heute. «Seine Brote haben von Anfang an fantastisch geschmeckt», lobt sie.
Bis zu drei verschiedene Vorteige benutzt der Bäcker aus Leidenschaft. Diese bestehen zu einem grossen Teil aus Wasser. Das ist das Geheimnis, warum seine Brote so lange frisch bleiben. Und die wichtigste Zutat? «Die ist Zeit», sagt Alfred Bau. Nichts gegen industrielle Hefe. Die sei vergleichbar mit einem Spitzensportler. Seine wilde Hefe hingegen sei ein echter Langweiler. Und genau darum schmecken seine Brote so gut: In seiner kleinen Bäckerei darf sie sich so richtig gehen lassen.
Von Stefan Böker