23.10.2024 08:52
4800 Kilometer über den Atlantik rudern
Vier junge Männer wagen das Abenteuer - für den guten Zweck
2026 rudern vier junge Männer aus Kreuzlingen, Tägerwilen und Weinfelden 4800 Kilometer über den Atlantik. Und das für den guten Zweck. Ein Treffen mit den Vieren, welche vor drei Monaten das erste Mal in einem Ruderboot sassen.
Region Sechs Meter hohe Wellen, wenige Stunden Schlaf am Stück, Astronautennahrung und 35 Tage auf ein paar Quadratmetern: Vor dieser Vorstellung haben Robin, William, Marco und Andreas Respekt, aber keine Angst. Es überkommt sie ein Kribbeln im Bauch, wenn sie an das bevorstehende Abenteuer ihres Lebens denken. 2026 werden sie im Rahmen des Wettkampfs «Worlds Toughest Row» mit einem Ruderboot den Atlantik überqueren, und das für einen guten Zweck. Nebst der Öffentlichkeitsarbeit möchten die vier mindestens 25 bis 30 Prozent der Sponsorengelder nach der erfolgreichen Überquerung der Krebsliga übergeben. Geschätzt rund 70'000 Franken.
Am Rudern lernen
Survival-Experten, Ruderprofis oder erprobte Abenteurer sind die vier nicht. Einfach Freunde, welche sich aus der Ausbildung kennen und bis vor vier Monaten noch nie ein Ruderboot betreten haben. Sportler sind sie durchwegs. Robin spielte Volleyball in der Nationalliga A, William und Marco Unihockey. William kämpfte sich zudem gemeinsam mit Andreas schon durch so manchen Ironman auf der ganzen Welt. Fitness hin oder her: Etwas verrückt sind die Jungs ende 20 schon, mag man beim Gespräch denken. Auch nach einer Stunde bleibt der Gedanke: «Warum tun sie sich das an?». Doch auch das Gefühl, dass sie das wirklich packen können. Drei Jahre lang liebäugeln sie bereits mit der Teilnahme am härtesten Ruderwettkampf der Welt. Anstatt in ihre Laptops zu blicken werden Robin, William, Marco und Andreas auf dem Trip ihres Lebens gefordert wie noch nie. Die Bedingungen sind hart. Über einen Monat werden die Freunde ausschliesslich auf dem neun Meter langen Ruderboot leben. Im Zweistundentakt wechseln sie sich mit dem Rudern ab. In der Zeit erholen sie sich in zwei winzigen Kojen. Eine gemeinsame Pause wird es nicht geben. Für 99 Prozent der Menschheit unvorstellbar. Die jungen Männer nehmen unbezahlten Urlaub und stecken die Sponsorengelder allesamt in die Ausstattung. Das Budget für das Projekt beträgt 230'000 Franken. Den Betrag für das Ruderboot konnten sie bereits sammeln, nächsten Frühling wird es in der Schweiz eintreffen und eingeweiht.
Kopf und Muskeln
«Gut Rudern zu können, ist die eine Sache. Viel wichtiger sind andere Faktoren», erzählt William. Durchhaltevermögen, Teamgeist und vor allem die mentale Gesundheit seien massgebend bei der Unternehmung. Jeder der vier habe Stärken, andere Charaktereigenschaften. Alle haben in dem Vorhaben ihre Aufgaben, denn: «Wir arbeiten alle 100 Prozent. Es geht gar nicht anders, als dass jeder bei der Vorbereitung mithilft.» Hilfe bot auch der Ruderclub Kreuzlingen an. Jeden Samstag geht es gemeinsam mit zwei Coaches aufs Wasser. Anfangs auf einem «Ausflugsruderboot», heute bereits in einem Rennboot. Dazu werden sie von Mentaltrainern und Ernährungsberaterinnen geschult. Die Extremsituation werden sie vor Beginn der Reise durchspielen. Zumindest bis zu 72 Stunden werden die Vier auf ihrem Boot auf dem Wasser sein, sich mittels Astronautennahrung und kalorieenreichen Shakes und Riegel verpflegen. Ein Kübel dient als Toilette, und anstatt einer Dusche gibt’s Katzenwäsche. Sollte ein medizinischer Notfall eintreten, würde es laut Robin mindestens zwei Tage dauern, bis sie Hilfe erreicht. Eine Vorstellung, welche auch für ihre Angehörigen nicht leicht zu verdauen ist. Der Optimismus der vier ist jedoch ungebremst und steckt scheinbar auch ihr Umfeld an. Mittels GPS-Daten kann verfolgt werden, wo sich die Männer gerade auf dem Atlantik befinden. Auch wird die Familie regelmässig über den Verbleib «ihrer» Jungs informiert. «Es gibt dazu meistens Internet auf dem Boot». Und dies dank Satellitentechnologie, ähnlich wie Starlink von Elon Musk.
Aus den eigenen Taschen
Wie sie das Abenteuer finanzieren, interessiert uns. «Wir sparen bis dahin», so William. Denn für den Lohnausfall sowie ihre Reise werden sie keine Sponsorengelder verwenden. So viel wie möglich soll an die Krebsliga übergeben werden. Andreas, Marco, William und Robin haben sich ein besonderes Projekt ausgesucht. «Das Geld wird eingesetzt, um Familien von Krebs erkrankten Kindern zu unterstützen. Zum Beispiel erhalten die Eltern finanzielle Unterstützung, um bei ihrem Kind zu sein», erzählt William und macht kurz eine Pause. Das Thema Krebs betreffe alle. Jede und jeder kenne eine nahestehende Person, welche an Krebs erkrankt sei und doch sei die Krankheit vielerorts ein Tabuthema. Mit ihrer Reise möchten sie nebst dem finanziellen Beitrag auch die Öffentlichkeitsarbeit für die Krebsliga fördern. So auch bei künftigen Events. Dazu ist ihr Einsatz nachhaltig: «Wir planen, nach dem Wettkampf Vorträge zu halten. Das Thema Resilienz wird dabei im Fokus stehen. So auch Teambildung und mentales Training», erzählt Robin.
Unterstützer gesucht
Die Sponsorensuche läuft auf Hochtouren. Dass sie bereits das Boot finanzieren können, freut die Jungs besonders. Es sei eine intensive Aufgabe, Förderer zu finden. Gar unzählige Mails wurden verschickt, Dutzende von Telefonaten geführt und Treffen mit potenziellen Sponsoren organisiert. Bis zum Start bleibt noch etwas Zeit. Bis dahin werden die Männer in top Form sein. Körperlich wie auch mental. Denn nur so überstehen sie die 4800 Kilometer auf dem offenen Meer.
Von Desirée Müller